Eine Kupferplatte wurde Säure ausgesetzt. Es entstanden über einen längeren Zeitraum Tropfen und Schlieren, Krusten, Kristalle, eine Verwandlung des ursprünglichen Materials in eine neue Daseinsform.
Wandel, Veränderung, Beschleunigung, Entwicklung, Flexibilität, Multitasking, lebenslanges Lernen – alltägliche Wörter, deren treibende Energie und Intention uns längst in Fleisch und Blut übergegangen ist: die Gesellschaft lehnt nichts so sehr ab wie den Stillstand. Wir leben im stillschweigenden Konsens mit der überwiegenden Mehrheit der Menschen, die diese Normierung in Form permanenter Rastlosigkeit seit Beginn der Industrialisierung als erstrebenswerten Weg ansieht. Höchstens als alte Menschen dürfen wir romantisierend auf der Bank im Garten sitzen und das umtriebige Leben beobachten oder dann im Paradies als Vorstellung zur letzten Ruhe kommen.
Veränderung ist uns körpergebundenen Wesen mit in die Wiege gelegt und nicht zu vermeiden. Das Pendant dieser unausweichlichen Tatsache findet sich in der gesellschaftlichen Idee von kontrollierter, nach vorne orientierter Lebensart und dem Glauben an permanentes Wachstum. Aber Stillstand, gar der Tod?
Als Kind dieser Zeit schwimme ich ein Stück weit im Strom mit, steige aber auch bewusst aus vorgegebenen Wegen aus.
Mit den „Rasereien“ verbinde ich Teppiche aus Kristallen in unzähligen Varianten, die allerdings nur in großen Zeiträumen wachsen können und wenn die Materie in Ruhe gelassen wird. Bis zu dem Moment, wo ich den Prozess aktiv beende. „Rasereien“ haben also nichts mit Tempobeschleunigung zu tun, sondern mit der Oberfläche, die oft wie Rasen aus Kristallen wirkt.
2013
Kupfer, Holz, Säure
25 x 50 x 0,2 cm